Umgestaltung des Rödelheimer Mühlgrabens

Meilenstein auf dem Weg zu einer naturnahen Nidda

Naturnahe Nidda – Planungsgrundsätze
Seit dem mit der Errichtung von sechs beweglichen Wehren verbundenen Ausbau der Nidda vor gut 80 Jahren, ist der Fluss kein zusammenhängender Lebensraum mehr. Fische und andere im Wasser lebende Tiere können die Wehre vor allem flussaufwärts nicht überwinden. Eine wesentliche planerische Zielvorgabe der von den Nidda Anrainern erarbeiteten und beschlossenen Konzeption „Naturnahe Nidda“ war es daher, durch Beseitigung von Wanderhindernissen die lineare Durchgängigkeit des Flusses wieder herzustellen: Forelle, Barbe, Hasel und Döbel sollen sich im Fluss frei bewegen können. Das heißt: Hindernisse, die die Wanderung von Tieren behindern, müssen abgebaut werden. Für den Bereich Rödelheim sieht dazu die Stadtverordnetenversammlung in ihrem schon am 17.09.1998 gefassten Beschluss § 2700 einen entsprechenden Umbau vor. In einer im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main erarbeiteten Machbarkeitsstudie („Wehrstudie“) wurde bereits 1993 aufgezeigt, dass der Umbau der Wehre prinzipiell möglich ist, ohne dass die gesetzten Randbedingungen verletzt werden:​

  • Die Hochwassersicherheit besonders für Siedlungen, Verkehrswege und Wasserschutzgebiete bleibt erhalten.
  • Der Grundwasserspiegel verändert sich nicht wesentlich.

Auf der Grundlage dieser Studie wurde die Planung zum Umbau des Rödelheimer Mühlgrabens (auch Mühlkanal genannt) erarbeitet. Die Pläne wurden mit dem Ortsbeirat, den Anglervereinen und dem Heimat- und Geschichtsverein Rödelheim abgestimmt und vom Regierungspräsidium Darmstadt genehmigt.

Die Durchgängigkeit der Nidda am Rödelheimer Wehr
Das bewegliche Rödelheimer Wehr bleibt bestehen. Ein Umbau, etwa in ein festes Wehr mit einer breiten, langgezogenen Rampe, ist wegen der räumlichen Verhältnisse (angrenzende historische Parkanlage, Petri-Haus) nicht möglich. Da also das bestehende Rödelheimer Wehr nicht für den Fischwechsel tauglich gemacht werden kann, wurde der Mühlgraben so umgebaut, dass er es als „Umleitungsgerinne“ den Tieren ermöglicht, vom Unterwasser in das Oberwasser des Wehres zu wandern und umgekehrt.

Dazu im Einzelnen: Raue Rampe
Der Mühlgraben zweigt oberhalb des Wehres von der Nidda ab und mündet nach einer Lauflänge von etwa 600 m am westlichen Ende des Solmsparks wieder in sie ein. Unterhalb der Straßenbrücke „Auf der Insel“ befand sich auf der Sohle des Mühlgrabens ein etwa 1,6 m hoher Absturz, der von Fischen nicht passiert werden konnte. Es handelte sich um ein Überbleibsel der alten Mühle, die1966 abgerissen wurde, nachdem sie im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden war. Dieser Absturz wurde nun zu einer etwa 40 m langen Sohlrampe aus Natursteinen umgebaut („raue Rampe“). Die geringe Neigung der Rampe und deren stetige Durchströmung mit fast ganzjährig 2,7 m3/s ermöglicht es den Fischen, die Höhendifferenz zwischen Unterwasser und Oberwasser der Rampe zu überwinden. Auf der in Fließrichtung gesehen linken Seite des Mühlgrabens wurde die hohe Ufermauer auf einer Strecke von etwa 20 m abgerissen. Hier entstand eine 1:2,5 geneigte Uferböschung. Sie wird der natürlichen Entwicklung überlassen.

Lockströmung
Um zu verhindern, dass die Fische weiterhin im Hauptgewässer aufwärts schwimmen und dann auf das unüberwindbare Hindernis Rödelheimer Wehr stoßen, muss ihnen mit einer „Lockströmung“ quasi der Weg in den Mühlgraben gewiesen werden. Die Lockströmung wird durch eine Einengung des Mühlgrabens an dessen Auslauf in die Nidda erzeugt: Eine Doppelbuhne schränkt das Abflussprofil an der Mühlgrabenmündung auf eine Breite von etwa 1,5 m ein.

Auswirkungen auf die Hochwassersicherheit und die Grundwasserstände hat der Umbau nicht: Da das bewegliche Rödelheimer Wehr erhalten bleibt, ändern sich die Wasserspiegellagen der Nidda und des Mühlgrabens oberhalb des Wehres beziehungsweise des zu einer Rampe umgebauten Mühlenabsturzes nicht. Unterhalb des Wehres und des Mühlenabsturzes wird der Wasserstand in beiden Gewässern nach wie vor durch das flussabwärts liegende Sossenheimer Stauwehr bestimmt. Auch hier gibt es also keine Veränderung.

Fazit: Die bestehende Hochwassersicherheit bleibt voll erhalten. Da sich die grundwasserprägenden Wasserspiegellagen der Nidda und des Mühlgrabens nicht ändern, bleibt auch die Grundwassersituation stabil.

Reste der historischen Mühle
Das wenige, was von der historischen Rödelheimer Mühle noch vorhanden war, wurde in Absprache mit dem Rödelheimer Heimat- und Geschichtsverein geborgen: Große Sandsteinquader wurden zur Wiederherstellung der Ufermauer verwendet. Der Treppenabgang zum Mühlgraben, der als Anlegestelle für Kähne diente, wurde einschließlich der zwei Sandsteindalben, an denen man früher die Kähne fest machte, wieder hergestellt. Drei Mühlsteine wurden in der Grünanlage aufgestellt, die an den Mühlgraben grenzt und im Anschluss an die Wasserbauarbeiten vom Grünflächenamt umgestaltet werden wird.

Einige wichtige Daten
Entwurfsplanung und Genehmigungsplanung: BGS Wasser, Darmstadt
Ausführungsplanung: UNGER Ingenieure, Darmstadt
Bauausführung: B. Rudolph Garten- und Landschaftsbau GmbH, Obertshausen
Projektleitung und Bauüberwachung: Stadtentwässerung Frankfurt am Main
Projektkosten: ca. 135.000 €
Baukosten: ca. 85.000 €

Finanzierung der Maßnahme aus Mitteln der naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgabe, Untere Naturschutzbehörde der Stadt Frankfurt am Main

Stand der Planungen zur Umgestaltung der Nidda an den weiteren Wehren: Die Stadtentwässerung Frankfurt am Main ist bestrebt, die Umgestaltung der Wehre möglichst von der Mündung in den Main flussaufwärts zu realisieren, um die Durchgängigkeit von dem Main in Nidda und ihre Nebengewässer sukzessive zu ermöglichen. Bei allen Umgestaltungsmaßnahmen ist sicher zu stellen, dass keine negativen Auswirkungen auf die bestehende Hochwassersicherheit und die Grundwasserverhältnisse entstehen können. Im Rahmen der weiteren Planungen wird eine intensive Öffentlichkeitsinformation durchgeführt.

Wehr Höchst
Das Höchster Wehr ist gegen die Fließrichtung betrachtet das erste Nidda-Wehr. Es wurde um 1925 erbaut. Das bewegliche Wehr wird abgerissen und an gleicher Stelle durch eine raue Sohlrampe ersetzt. Die Passierbarkeit für Fische wird durch ein neues Umgehungsgerinne ermöglicht. Der Abfluss der Nidda wird so aufgeteilt, dass bei niedrigen und mittleren Abflüssen vor allem das Umgehungsgerinne ausreichend durchflossen ist. Die raue Sohlrampe bewältigt vor allem den Hochwasserabfluss. Da das heute noch bewegliche Wehr mit nur einem Verschlusselement durch ein festes Wehr mit einer langen Wehrkrone ersetzt wird, erhöht sich zukünftig auch die Betriebssicherheit. Unterhalb dieses Gerinnes entsteht durch Rückverlegung des Weges und eine Geländemodellierung eine Überschwemmungsfläche. Eine neue Brücke an der Sulzbachmündung ersetzt den alten Wehrsteg.

Für die Umgestaltung liegt seit 2009 ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss vor. Derzeit wird die Ausführungsplanung erstellt und die Einzelheiten der Finanzierung geklärt. In diesem Zusammenhang muss auch ein Konzept für die Erschließung der Baustelle und den Abtransport des Erdaushubs und der Abrissmassen erstellt werden.

Die Projektkosten betragen ca. 3,6 Mio. €. Mit einem Baubeginn ist 2012 zu rechnen.

Wehr Sossenheim
Das Sossenheimer Wehr wurde 1930 erbaut. Das bewegliche Wehr soll – wie auch beim Höchster Wehr vorgesehen – durch eine raue Sohlrampe etwas oberhalb des heutigen Wehrs ersetzt werden. Die Passierbarkeit für Fische wird durch den offenen Anschluss des heute noch von der Nidda getrennten Grillschen Altarms hergestellt. Die heute bestehende Wegebeziehung soll durch den Neubau einer Brücke im Planungsbereich erhalten bleiben.

Das Vorhaben ist als Ersatzmaßnahme für den Bau des Riederwaldtunnels im Zuge der Bundesautobahn 66 festgestellt. Zur Umsetzung ist noch ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren erforderlich. Die hierfür notwendigen Planungen werden derzeit vorbereitet. Der Baubeginn ist von diesen Planungen und dem Ablauf des Genehmigungsverfahrens abhängig und kann derzeit nicht eingeschätzt werden.

Wehr Hausen
Am Wehr Hausen sind die räumlichen Verhältnisse durch Verkehrstrassen und Kanaltrassen im unmittelbaren Nahbereich sehr beengt. Nach ersten Vorplanungen könnte das Wehr durch eine raue Sohlrampe oberhalb des heutigen Standorts ersetzt werden. Durch den offenen Anschlusses und die starke Durchströmung der heute noch weitgehend abgetrennten Altarme am rechten Ufer ist die Durchgängigkeit für Fische herstellbar. Die Finanzierung der Maßnahme ist derzeit noch nicht geklärt; Angaben zum zeitlichen Ablauf der Umsetzung sind daher nicht möglich.

Wehr Praunheim und Wehr Eschersheim
Für beide Wehre liegen Planungen zum Anschluss der vorhandenen Altarme (Wehr Praunheim) bzw. zur Nutzung des Urselbachs als Umleitungsgerinne vor (Wehr Eschersheim). Der Umbau ist als Ersatzmaßnahme für die Eingriffe in Natur und Landschaft im Zuge des Ausbaus der Bahnstrecke Frankfurt am Main / Friedberg festgestellt und wird durch die DB AG finanziert. Da gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Genehmigung der Bahntrasse Klagen anhängig sind, kann der Umbau an den Wehren Praunheim und Eschersheim derzeit nicht weiter umgesetzt werden.